Werksgeschichte

 

 

Fahrräder


In den 90er Jahren des 19. Jhdt. entwickelt sich in Deutschland eine Fahrradindustrie. Bis zu diesem Zeitpunkt war Großbritannien Hauptlieferant für die in Deutschland im Verkehr befindlichen Fahrräder.
Im Jahre 1896 fassen die beiden Radevormwalder Kaufleute Gottlieb Frowein und Carl Richard Holbeck den Entschluss, im Bergischen Land eine Fahrradfabrik zu gründen. Finanzielle Unterstützung bekommen sie von drei Hamburger Kaufleuten.

 

Am 12. September 1896 werden die „Fahrradwerke Bismarck GmbH“ in das Handelsregister Lennep eingetragen. Das Geschäftskapital beträgt 300 000 Goldmark. Zur Namensführung hat Altreichskanzler Fürst Otto von Bismarck sein persönliches Einverständnis gegeben. Umgehend wird in Bergerhof bei Radevormwald mit dem Bau der Fabrikräume begonnen. Anfang 1897 beginnt die Produktion und im April wird das erste Bismarck-Fahrrad ausgeliefert. In der Jahresmitte wird das 1 000 Fahrrad produziert.


In den nächsten Jahren erfolgt ein Auf und Ab in der Entwicklung der Fahrradindustrie. Die Preise sinken von 300 auf 200, 150, 100 und teilweise bis auf 60 Mark (vor dem Ersten Weltkrieg). Doch allen Problemen zum Trotz, im Februar 1911 wird das 100 000 Fahrrad ausgeliefert.

 

Auch auf technischem Gebiet ist die Firma sehr initiativ, wovon zahlreiche Patente und Medaillen großer Messen zeugen.So entsteht im Jahre 1902 eine Rücktrittsbremse.

 

Im Jahre 1918 wird der Firmenname umbenannt, von nun an sind es die "Fahrradwerke Bismarck, Schütte & Co., Bergerhof Rhld.

 

In den 1930er Jahren wird eine Zweigangschaltung entwickelt, die in das Tretlager integriert ist. Die Fahrräder werden unter dem Namen „Berg wie Tal“ angeboten, ein Hinweis auf die besondere Art der Schaltung. Sie verkaufen sich recht gut.
Im April 2008 wird ein solches Fahrrad bei einem großen Internet-Aktionshaus angeboten und für 820,00 € verkauft.


Der Bau von Fahrrädern führt zu einer engen Verbundenheit mit dem Radsport. So werden im Straßenrennsport viele nationale und internationale Siege errungen, unter anderem auch bei Steherrennen.

Es entsteht ein eigener Rennstall, dem allerdings keine Radevormwalder Sportler angehören. Ganz anders im Amateurbereich, hier mischen auch etliche Rader Bürger mit.

Die größten Erfolge des Rennstalls liegen in der Nachkriegszeit. Bei den Deutschlandrundfahrten 1951 und 1952 werden die Mannschaftssiege errungen. 1951 führt die Strecke durch das Bergische Land und passiert auch Radevormwald.

 

Nach dem Zweiten Weltkrieg läuft die Produktion nur langsam an. Oft fehlt es an dem notwendigen Material. Trotzdem wird 1948 das 1 000 000 Fahrrad produziert. Der Anfang der 50er Jahre beginnende Fahrradboom hält nicht lange an, und so müssen die Bismarck-Werke im Herbst 1957 Konkurs anmelden. Das Werk wird verkauft, die Namensrechte sichert sich die Firma Falter in Bielefeld. Sie baut bis Ende der 90er Jahre noch Fahrräder unter diesem Namen.

 

 

 

Motorräder


Schon recht früh beginnt man mit der Entwicklung und dem Bau von motorisierten Zweirädern. In einem Prospekt von 1905 werden zwei Modelle angeboten. Leider lässt sich heute nicht mehr feststellen ob diese Zweiräder überhaupt in Serie produziert und verkauft worden sind. Unterlagen darüber gibt es keine.

Mitte der 1930er Jahre bietet die Firma SACHS leistungsfähige Zweitaktmotoren mit 72 ccm Hubraum an. Damit beginnt die Produktion der sogenannten „Motor-Fahrräder“. Der Motor wird in einen modifizierten Fahrradrahmen gehängt. Allerdings gibt es in den Anfängen viele Probleme. Die Fahrradrahmen sind zu schwach für diese Belastung: So konstruiert man bald verstärkte Rahmen, unterschieden nach Damen- und Herrenrädern.

Nach langer Ankündigung und umfangreicher Werbung bringt die Firma SACHS im Juli 1938 unter der Bezeichnung „SAXONETTE“ einen Nabenmotor auf den Markt. Dabei handelt es sich um einen Zweitakter mit 38 mm Hub und 45 mm Bohrung, einen für damalige Zeit ungewöhnlichen Kurzhuber. Das Verdichtungsverhältnis beträgt 1:6, der Hubraum 60 ccm. Bei 3 500 Umdrehungen an der Kurbelwelle leistet der Motor 1,2 PS und gibt dem Rad eine Geschwindigkeit von 25 - 30 km/h.

Die Schweinfurter Firma liefert sowohl das Hinterrad mit dem Motor als auch das Vorderrad an die sogenannten „Konfektionäre“. Diese bauen sie in ihre Fahrradrahmen ein. Allerdings gibt es damit ähnliche Problem wie zu Beginn bei den Motor-Fahrrädern. Hier beschreiten die Bismarck-Werke einen anderen Weg, sie bauen von vornherein stärkere, spezielle Rahmen für diesen Motor. Allerdings werden nur wenige Fahrzeuge hergestellt. Heute existieren nur noch zwei Exemplare.

Nach 1948 baut man die alten Motor-Fahrräder weiter, verlegt sich jedoch zusätzlich auf den Bau echter Motorrräder. 1949 erscheint die LM 125 K, eine Maschine mit dem 125 ccm-ILO-Motor. SACHS bot seinerzeit diesen Motor nicht an. 1953 bzw. 1954 kommen zwei weitere, hubraumstärkere Maschinen auf den Markt, mit 150 und 175 ccm Hubraum.

Parallel dazu konstruiert man ab 1953 die sogenannten „Fahrräder mit Hilfsmotor“, besser bekannt als Moped. Diese Fahrzeuge haben einen 49 ccm-Motor von SACHS. Doch all dem war kein großer Erfolg mehr beschieden. Auch die Bismarck Werke werden von der allgemeinen Krise der Zweiradbranche erfasst. Das Ende ist bekannt.

 

 

 

Nähmaschinen


Wenig bekannt ist, dass die Bismarck-Werke auch Nähmaschinen bauten, wenn auch nur für kurze Zeit. Erst im Jahre 1949 beginnt – neben der Zweiradproduktion – die Herstellung von Nähmaschinen.

 

Und zwar handelt es sich um Modelle der Firma R. Knoch aus Saalfeld (Thüringen). Dieser Betrieb wird im Jahr 1949 enteignet und mit anderen Nähmaschinenfabriken zu einem Volkseigenen Betrieb (VEB) zusammengeschlossen.

Daraufhin beschließt die Geschäftsleitung den Firmensitz nach Radevormwald zu verlegen, die Bismarck Werke übernehmen die Bau- und Markenrechte.

In den Folgejahren stellt das Werk Nähmaschinen her, die als Haushaltsmaschinen mit Gestell oder als Tischmodell mit Handantrieb geliefert werden.

 

 


Das Ende


Wie schon erwähnt, beginnt Mitte der 1950er Jahre die große Krise der deutschen Zweiradindustrie. Die Menschen wollen auch beim Fahren ein Dach über dem Kopf haben und nicht mehr im Regen sitzen. Insbesondere die vielen Kleinwagen, die ja teilweise ihren Ursprung im Zweiradbau haben (Messerschmidt Kabinenroller, BMW Isetta, Goggomobil u. a.), sorgen für rückläufige Verkaufszahlen.


Damit ist das Ende für viele, auch traditionsreiche, Firmen eingeläutet, so auch bei den Bismarck-Werken, die im Herbst 1957 Insolvenz anmelden und die Produktion einstellen. Welche Gründe letztlich dafür wirklich ausschlaggebend waren, ist nicht bekannt. Noch bis heute hält sich das Gerücht, dass auch Managementfehler eine Rolle gespielt haben. Bewiesen ist das allerdings nicht.